BB – Skorpion/Schütze und mehr mit 8“ Dobsons

 

Am 02.06.2006, gg. 23.00 Uhr treffen Fred und ich in der Dämmerung am Beobachtungsplatz auf 600 Meter Meereshöhe, bei Bottenhorn, einem Ortsteil von Bad Endbach, im mittelhessischen Kreis Marburg-Biedenkopf ein. Die sanfte Anhöhe ist die höchste Erhebung weit und breit und bietet den Vorteil, dass das Gelände sanft nach Westen, Süden und Osten abfällt und die ca. 2-3 Kilometer entfernte, bewaldete Horizontlinie unterhalb unseres Standortes verläuft.

Der Tag war heiß, die Luft ist trocken, leicht windig, der Mond im ersten Viertel wird bald nicht mehr stören, wie sich die „weißen Nächte“ auf 51° Breite auswirken werden wir bald wissen, aber den Standort mit einer auf -40° verlaufenden Horizontlinie haben wir noch nie mit den Teleskopen aufgesucht.

 

Die Teleskope sind zwei 8“ F/6 Dobsons. Fred´s roter ICS Galaxy und mein Skywatcher werden inzwischen saugend belüftet, sind mit Velours ausgekleidet und verfügen über Tau-/Streulichtkappen. Sie bilden wohl Beide etwa „beugungsbegrenzt“ ab und bieten so ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis.

Darüber hinaus hat Fred etwa 100 €, viel Geschick und Zeit in eine Selbstbau EQ-Plattform gesteckt, da er sich, m. E. sehr erfolgreich, dem Zeichnen von DS-Objekten verschrieben hat.

Seine Plattform hält ein Objekt für ca. eine Stunde im Okular, was ihm beim Zeichnen sehr entgegen kommt.

Ich habe, mit ähnlichem Aufwand, die Rockerbox auf seidenweiche händische Nachführung getrimmt, die auch mit aufgesatteltem 70 mm Richfielder tadellos funktioniert und mit einer Tubusisolierung, sowie einer eins zu sechs Untersetzung am OAZ, alles für die Planetentauglichkeit der „Billigröhre“ getan.

 

Zur Vorbereitung unserer Beobachtungsabende druckt sich Fred Aufsuchkarten anhand verschiedener Sternkartenprogramme aus und ich bringe den Karkoscha und dem DS-Reiseatlas mit, das ergänzt sich wunderbar. Hat man sich dann noch vorher im Internet und/oder den einschlägigen Zeitschriften kurz über besondere Ereignisse informiert, ist man gut gerüstet.

 

Der Aufbau der Dobsons ist schnell erledigt, spätestens nach fünf Minuten hängen die Lüfter an den Power-Stationen und blubbern die warme Luft aus den Tuben.

Nun gehört der freie Blick dem dunkler werdenden Himmel, zur Orientierung und Einschätzung der Bedingungen. Die Horizontlinie zeigt vom Osten über Süd bis West einen leichten hellen Streifen, der Halbkreis der Städte Marburg, Gießen, Wetzlar, Dillenburg, Herborn, Siegen macht sich also bemerkbar. Das Auge zeigt uns aber bis dicht an den Horizont bereits die hellsten Sterne und das 10x50 Fernglas lässt der Hoffnung noch mehr Raum. Die Milchstraße deutet sich bereits an, aber dunkel ist es noch nicht, also bietet sich der Mond für einen Spaziergang an. Schon im neuen 18er Speers wabert er noch merklich vor sich hin, dennoch sind die Krater und Rillen sehr klar und scharf begrenzt zu erkennen. Die Oberfläche hat ein wenig „Wellengang“, ist aber dennoch gestochen scharf abgebildet.

Der alte Mondatlas wird auch wieder zu Ehren kommen, so viel steht fest.

Wenig später, am Jupiter, ist dann mit dem 10er Speers das Ende der Fahnenstange erreicht.

Okay, man kann sich das auch mit dem aufgemotzten 8-5 (7-4mm) Speers-Zoom noch ansehen, aber ohne Detailgewinn und wabernd aufgeblasen, nein Danke, das kann mein Newton besser.

Noch leicht mangelnde Auskühlung des Newtons und der tiefe Stand des Planeten sind die Ursachen, nachdem der Verdacht einer leichten Dejustage an Polaris ausgeräumt werden konnte.

Der Blick zum „kleinen Wagen“ offenbart dann auch, dass wir inzwischen die Grenzgröße von 6 Mag ankratzen, uns also den eigentlichen Zielen des Abends zuwenden können. Die „weißen Nächte“ sind auf dem Land demnach nicht ganz so schlimm.

 

Die Schere des Skorpions winkt in respektabler Höhe über dem Horizont, bei Antares sollten drei Kugelsternhaufen zu finden sein.

M 4 präsentiert sich nicht besonders hell, eine recht flächige Aufhellung im Übersichtsokular mit „Puderzuckersprenkelchen“, eine lockere kugelige Anhäufung von aufgelösten Sternen bei zunehmender Vergrößerung. M 80 bietet den Anblick einer kompakten hellen Kondensation in der Mitte, umgeben von einem schnell schwächer werdenden haloartigen Randbereich und lässt sich auch mit höheren Vergrößerungen nicht in Einzelsterne auflösen, was ich dann beim ähnlich wirkenden, aber wesentlich kleiner und schwächer sichtbaren NGC 6144 gar nicht versuchte.

Da ist noch Platz zum Horizont, der Erfolg macht Mut, also tiefer mit dem Rohr, ganz tief.

M 6, der Schmetterlingshaufen, will schon wegen des Namens unbedingt gefunden werden.

Zwei helle Sterne in SCO und SGR, zwei Drittel der Strecke zum Schützen, das drängt sich als Aufsuchhilfe für den Riegl förmlich auf und tatsächlich findet sich im kleinen FH, welcher mit dem 18er Speers immer noch gutes Feld bietet, ein Sternenhaufen im Feld, der im Hauptrohr mit dem 30er BW, bei 80° Feld, einen herrlichen Anblick bietet. Locker steht er im Raum, leichte Helligkeits- und Farbunterschiede der Sterne erzählen etwas über die unterschiedliche Natur der Haufenmitglieder, Sternenketten, schöne Sternenmuster, nur….der „Schmetterling“ will sich mir nicht zeigen.

Die Region ist mit Objekten „gepflastert“ und der Kontrollblick im Riegl zeigt, ich bin etwas zu tief Ein kurzer Schwenk nach Nordwesten zeigt mir dann den „Schmetterling“, zuvor war ich bei M 7 und damit bei, für mich, unglaublichen -35° Deklination, mit einem herrlichen Anblick belohnt. Nun gut, der „Schmetterling“ macht seinem Namen alle Ehre, sowohl M6, als auch M 7 waren auch mit 18er Speers, ein einzigartig schöner Anblick und zeigten nebenbei, dass mein neues Okular am F/6 hervorragend und mit guter Randschärfe funktioniert.

Bis dahin hatten Fred und ich unsere Beobachtungen im Paarlauf gemacht und kommentiert, inklusive des Irrtums mit M 6/7, nun musste Fred einfach den Schmetterling zeichnen, während ich mir am noch etwas tiefer stehenden Kugelsternhaufen NGC 6441 die Zähne ausbiss. Das war dann doch zu tief.

OK, ein wenig höher, M 19, M 62 und dann endgültig zum Schützen mit den weiteren KS NGC 6522, 6624, M 54, 69, 70. Mehr oder weniger hell sind sie alle gut und direkt sichtbar, meist stark konzentriert, und verdanken es ihrer tiefen Stellung oder ihrer Struktur, dass sie sich (an diesem Abend?) mit den 8-Zöllern nicht auflösen ließen.

Auch M 28, über dem Deckel des „Teapotts“ wehrte sich erfolgreich gegen die Auflösung und gab nur ein wenig „Puderzuckerstaub“, also den Ansatz von Sternerkennung preis.

Ganz anders M 22, der sich als prächtiger Vertreter seiner Art präsentierte und im 10 mm Okular einen sehr feinen, gut aufgelösten Anblick bot.

Da war noch etwas, M 55, nahe -30°, da geht doch heute was und solche Gelegenheiten sind selten. Fred ist schon lange wieder mit von der Partie, wir haben uns gegenseitig mit Tipps versorgt, was das Finden sehr vereinfacht. Also noch Mal nach unten, die Linie zwischen zwei hellen Sternen des Schützen in Richtung Steinbock verlängern, gleiche Strecke auf der gedachten -31° Linie und ran ans Okular. Es dauert ein wenig, vorsichtiges „Rühren“ ist angesagt, da ist nicht viel, was Anhaltspunkte liefert. Plötzlich habe ich einen überraschend großen, runden Lichtschimmer im 30er Okular,… Volltreffer. Fred wird nicht fündig, auch die Hinweise auf nahe Sternfiguren bringen nichts. Er ist in der richtigen Ecke und sieht nichts. Sein 40er Aufsuchokular wird gegen ein 25er Okular ausgetauscht, er schaut noch Mal durch meinen Riegl, bestätigt er ist auch absolut an der richtigen Stelle, und kurz darauf hat er seine Sichtung. Die AP des 40er Okulars war also des Guten zu viel.

In der Freude vergessen wir einfach, M 55 mit höheren Vergrößerungen zu beobachten, eine Auflösung wäre sicher möglich gewesen. Euphorie und Jagdfieber hatten ohnehin bis dahin für einen ungewöhnlichen Ablauf der Beobachtungen gesorgt. Eine solche Menge von Objekten in so kurzer Zeit……Zeit…..der erste Blick zum Zeitmesser und es ist 02.00 Uhr.

 

Drei Stunden Power-Starhopping, das schlaucht, wie ich nun bemerke. Zeit für einen Schluck aus der Pulle, Freds belgische Kekse und einen „unbewaffneten“ Blick zum Himmel.

Atemberaubend ist die Sternenfülle, die Milchstraße funkelt uns an.

Die großen Nebel zwischen Schütze und Schildwolke offenbaren sich dem bloßen Auge und ihr dort schon zweigeteiltes, überraschend breites Band vereinigt sich in den hellen Sternwolken nördlich des Schwans um sich schwächer werdend, hinter Cassiopeia am Horizont zu verlieren.

Die freudige Anspannung weicht tiefer Zufriedenheit und macht sofort Lust auf „Genußsspechteln“. Ran ans Okular, aber nicht die sicher lohnenswerten, aber bislang ausgelassenen planetarischen Nebel im südlichsten Bereich oder der anlässlich M 19 schon kurz gestreifte großflächige schwache Pfeifennebel (Dunkelnebel) stehen auf dem Programm, sondern ein lockerer Spaziergang vom Schützen in den Schwan.

Der UHC kommt ins 14er Speers, das 18er wird mit O III bestückt, die Übersicht bringt das 30er BW und Fred, der Anderes im Sinn hat, stellt später (im Schwan) seinen 2“ O III für mein 38er Okular zur Verfügung.

 

Die Traumreise der Nebel beginnt bei M 8, dem Lagunennebel, der seinem Namen alle Ehre macht, mit beiden Filtern viele, durchaus unterschiedliche Strukturen zeigt. Die Lagunen werden im UHC breit und schwache Außenbereiche besser sichtbar. Beide Astronomik Filter lassen dem eingebetteten Sternhaufen genügend Licht um zu brillieren.

M 20, der Trifidnebel, bleibt im Übersichtsokular recht unscheinbar und kommt erst im 10 mm Speers mit Filter richtig zur Geltung, ein Objekt auf das man sich wirklich einlassen muss, um es zu genießen.

M 21, M 25 und M 23 sind offene Sternhaufen, schön im Übersichtsokular und ein Genuss im 18er Speers, welches ohnehin soeben den Filter an das 10er loswurde.

M 24, die Schildwolke an sich, ist ein Sternenmeer, welches jedes Übersichtsokular sprengt.

M 17, der Schwanennebel zeigt schon im Übersichtsokular die typische Figur des schwimmenden Vogels, der Einsatz verschiedener höherer Vergrößerungen und der beiden Nebelfilter bringt aber unzählige Strukturen in das Gebilde und lässt den „Vogel“ letztlich in Wellen schwächerer Nebelteile schwimmen.

M 16, der Adlernebel präsentiert sich nicht ganz so kontrastreich, der eingebettete Sternhaufen dominiert das Bild, aber der im Übersichtsokular zu erahnende Nebel ist mit den Filtern sehr gut erfassbar.

M 11, in Richtung Adler ist schon im 30er Okular ein kleiner, dicht gedrängter offener Sternhaufen mit einem dominanten „Roten Riesen“ und im 10er Okular fliegen wie „Wildenten“ wie nach einem Schuss in alle Richtungen davon. Der benachbarte Dunkelnebel B 111 fällt durch Sternenarmut auf, ist aber ein wesentlich besseres Feldstecherobjekt.

Da sind die bohnenförmigen Dunkelnebel im Kopf des Adlers B 142-3 besser einzufangen, deutlich sind sie mit ausreichendem Kontrast zum Umfeld auszumachen.

Viele PN´s bleiben auf der Strecke liegen, nicht aber M 27, die Hantel. Sehr hell taucht dieser PN im Übersichtsokular auf und selbstverständlich hat er seine Ohren. Mit Filter und bei mehr Vergrößerung sieht der Nebel eher wie eine liegende, bläulichgrüne Zitrone aus, die enthaltene Hantelform kennzeichnet lediglich die hellsten Bereiche.

Ganz kurz hinab zu M 71, dem Kugelsternhaufen im Pfeil, ein alter Bekannter, wie so Manches auf diesem Weg, weil er so leicht zu finden ist, aber auch alte Bekanntschaften wollen gepflegt sein und so kommt gleich darauf auch Albireo zu seinem Recht und dieser kontrastreiche Doppelstern enttäuscht mich - wie immer- nicht.

 

Oh nein, langsam wird es im Osten heller, aber zwei Objekte müssen noch sein.

Ich kann nicht weg, ohne den Nordamerikanebel gesehen zu haben. Das 38er Okular mit Freds 2“ O III im Okularauszug ist die Hilfskonstellation „Kleiner Orion“ schnell gefunden und ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Diffuses hatte ich erwartet und ich sehe am Golf von Mexiko scharfe Kanten, helle Strukturen, „Bright Rims“ (?) Wahnsinn! Schön lässt sich der Nebel abfahren und der benachbarte Pelikan zeigt sich deutlich, aber etwas konturlos.

Das lässt Hoffnungen auf einen annähernd genialen Cirrus-Komplex zu und die Hoffnungen werden nicht enttäuscht. Beide äußeren Komponenten glockenklar und in voller Ausdehnung sichtbar, dazwischen noch der eine oder andere Nebelfetzen. Im 30er Okular, ohne Filter, bleiben die Hauptteile direkt sichtbar, beim Abfahren der Nebel mit dem 18er Speers und O III fallen viele Strukturen auf und ich freue mich schon auf weitere Besuche des Schwans in diesem Sommer. Ach ja…. auch der kleine 70 mm Richfielder hat mir mit O III den Cirrus gezeigt und viele der anderen Objekte auch.

Fred hat einen etwas anderen Spaziergang gemacht, hat M 13 und einige Doppelsterne gewählt, aber als wir nun noch einmal den Blick über die Milchstraße streifen lassen, sind wir müde und vor Freude fast ein wenig besoffen. Ob man so Auto fahren darf?

Nun gut, beim Zusammenpacken kriegen wir uns wieder ein wenig ein, die Bewegung macht munter und die Heimfahrt dauert nur eine halbe Stunde.

 

Meinen Entschluss, diese geniale Beobachtungsnacht vor Allem für mich und Fred fest zu halten, trägt mir drei volle Stunden an der Tastatur ein, aber das musste sein.

Und ja, warum denn nicht ins Forum damit. Mag die Begeisterung bei alten Hasen ein wissendes Lächeln erzeugen, bei trockenen Gemütern ein schiefes Grinsen hervor bringen und bei Beginnern die Lust wecken, auf ähnliche Nächte.